Overblog
Edit post Folge diesem Blog Administration + Create my blog
Akanthamöben Keratitis - was nun?
Akanthamöben Keratitis - was nun?
Menu
Grüntraum

Grüntraum

Mitten auf der Wiese, unweit vom Wegesrand, steht ein Pissoire, versteckt in einer Verkleidung von rohem Holz, nur zum Zweck grob geschliffen, sie läuft direkt darauf zu, es zieht sie dort hin. Aus unerfindlichem Grunde weiß sie genau, was sie zu tun hat, bewegt sich beinahe wie ferngesteuert und wer sie besehen würde, würde meinen, sie sei eine Marionette. Die langen Finger – ausgestreckt – weisen den Weg nach Norden, bereit, auch den Weg in ihre Zukunft zu zeigen, sofern es denn ihre Zukunft sei, und dem ist sie sich just in diesem Moment gar nicht mehr so sicher.

 

Es ruckt, die Tür zuckt und das Schloss kreischt kurz auf, als wolle es sie davon abhalten, den Lokus zu betreten, woraufhin sie nur noch energischer Schritt fasst. Ihre Begleitung schweigt, sie hielt sich schon die ganze Zeit eher im Hintergrund, obwohl das wahrscheinlich schwerlich schien, denn auch die Madame ist still, als sei sie besonnen und handle reiflich überlegt, ohne in Ungeduld zu verfallen, was da wohl kommen möge.

 

Beide stehen sie stille in dem kleinen Raum. Der Spiegel liegt wohl schon lange in Scherben, der Plastikrahmen drum herum ist wahrhaftig auch nicht das, was man als schön bezeichnen würde, ein paar undefinierbare Spritzer kleben an der fünften Fliese oben von rechts, in einem Farbton zwischen einem Gelb-Bordeaux und einem mädchenhaftem Violett scheinen sie von früheren Zeiten zu erzählen. Der Wasserhahn auch von altem Bau, man muss ihn noch drehen, um sich die Hände nach dem Gang zu reinigen, und natürlich auch wieder abdrehen, sodass auch die Flecken auf dem Boden durch die Schusseligkeit den Einen oder Anderen Nutzer zuvor leicht zu erklären sind. Das erste Mal treffen sich die Blicke der beiden Frauen, ohne jegliches Gefühl oder auch nur einen Gedanken preiszugeben sehen sie sich an, nur um sodann wieder voneinander abzulassen. Es ist das Waschbecken, das weiß sie, nur ist nun noch herauszufinden, wie die Pforte zu öffnen sei. Doch wieder weisen ihre Finger automatisch den Weg, diesmal zeigen sie nach Südosten, sie begreift, und so beginnt sie umgehend, am Rohr zu schrauben, welches in den Boden führt, es zu lockern, bis sie es abnehmen kann. Wie sie es dann langsam zu sich zieht, um es zu lösen, geschieht alles auf einmal ganz von allein. Die Fliesen, die ihnen wie viele kleine einzelne schienen, scheinen nun doch aus einem großen Ganzen zu bestehen, der Boden tut sich auf und ein Weg in die lang gesuchte Welt entsteht.

 

Zum zweiten Male treffen sich ihre Blicke, noch immer ohne Regung, noch kein Wort gesprochen und trotzdem – läuft alles, als sei es abgesprochen und vereinbart, als hätten sie einen Vertrag geschlossen, der besagte, sie müssen diese Erfahrung gemeinsam teilen, ohne Widerworte und Gebaren. Ihre Blicke richten sich auf das Erdloch, welches da vor ihnen liegt und schon schlüpfen sie ohne Furcht, eine nach der anderen, hindurch, in die Tiefen der Erde, endlich an ihrem Ziel angekommen, so wissen sie. Nach kurzem Schlittern fassen beider Füße wieder Boden, die eine streicht sich die Haare ohne Frisur zurecht, die andere tupft sich mit einem Stofftaschentuch den Staub von den Wimpern, behutsam, beinahe zärtlich. Zugleich erblicken sie den hellen Raum, mit etwa einem dutzend Menschen gefüllt, noch hat keiner die beiden bemerkt, noch unterhalten sie sich weiter angeregt und wägen sich weiterhin unentdeckt. Alles wirkt nur halbherzig zurechtgemacht. Ein paar Tische, ein paar Stühle, hie und da ein Glas herumstehend, flackernde Lichter die wohl atmosphärisch wirken sollen, jedoch eher das Gegenteil beim Besucher auslösen, als sie zum Zwecke gedacht waren. Gemächlichen Schrittes laufen sie entgegen der Anwesenden, wissen sie doch wohl, dass sie nicht unentdeckt bleiben werden, ja, dies auch gar nicht beabsichtigen. Bis zu der Blonden, die sich, posend, nach hinten umdreht, ihre Haare zurückwirft, der Madame in die Augen blickt und – so scheint es – erhaben lächelt. „Verschwiegen!“ - so spricht die Madame, und die Antwort der Blonden gefällt ihr nicht.